Eingang der Stadt Govone in Roero im italienischen Piemont

Roero: Weinanbaugebiet im italienischen Piemont

Weißwein-Mekka im Rotwein-Gebiet. So lässt sich das Anbaugebiet Roero im italienischen Piemont wahrscheinlich am besten zusammenfassen. Dabei hat die Region ihren anfänglichen Ruhm einer roten Rebsorte zu verdanken.

Wer kann schon von sich behaupten, dass eine ganze Region nach einem benannt wurde? Nun, zum Beispiel die Adelsfamilie Roero, die im frühen Mittelalter mehrere Jahrhunderte im Piemonteser Gebiet südlich von Turin zwischen Asti und Alba herrschte. Zur gleichen Zeit gewann im Piemont Wein an sich einen immer höheren Stellenwert. Dem Haus Savoyen und den vielen Klöstern sei dank. Kein Wunder, dass auch auf den sandigen, teilweise kalkhaltigen Böden, die die Hänge der Rundhügel der Gegend prägen, vermehrt Reben zu finden waren. Wie in der Langhe war auch in Roero schnell eine rote Rebsorte der unangefochtene Star. Nebbiolo.

Es sollte dann aber doch noch ein paar Jahrhunderte dauern, bis der daraus gekelterte Rotwein dann auch den Namen des Gebiets trug. Roero. Aber anders als bei Barolo und Barbaresco, die ja nun auch aus Nebbiolo bereitet werden, fand kein wirklicher Hype um den Wein statt. Barolo indes avancierte zum vinophilen Synonym für extrem langlebige und perfekt reifende Weine, während man einen Barbaresco schnell als jugendlichere und preisgünstigere Alternative handelte. Mehr Nebbiolo-Strahlkraft brauchte es da also nicht. Roero spielte in Sachen Nebbiolo tatsächlich keine Rolle.

Blaue Nebbiolo-Trauben am Rebstock
So etwas wie die Roero-Seele: Nebbiolo. © Cristiano Alessandro/iStock

Roero: Aufstieg eines Anbaugebiets

Und das hatte auch einen recht guten Grund. Bis in die 1970er-Jahre hinein waren die Qualitäten doch eher schlicht und blieben zumeist direkt in der Region. Hinzu kam, dass viele Winzer ihren Roero gerne lieblich ausbauten, während die Welt damals bei Rotweinen nach trockenen Gewächsen lechzte. Erst nach und nach erwachten die Winzern aus ihrem bäuerlichen Dornröschenschlaf und setzten auf Ertragsreduktion, Handarbeit und einem umsichtigen Tun im Keller. Und natürlich auf einen trocken ausgebauten Roero-Wein. Schnell stellten sich die ersten Erfolge ein. So bekam das Anbaugebiet Roero 1985 zum Beispiel mit dem DOC-Status (Denominazione di origine controllata) endlich eine kontrollierte Herkunftsbezeichnung.

Damit einher gingen dann auch die finalen Regeln für einen roten Roero. Dieser muss ein reinsortiger Nebbiolo sein. Wie wir wissen, bedeutet reinsortig nicht 100 Prozent. Tatsächlich sind bis zu 3 Prozent andere rote Trauben sowie ein kleiner Anteil der weißen Varietät Arneis zugelassen. Praktisch besteht ein Roero aber meist zu 100 Prozent aus Nebbiolo. Die Piemonteser haben da so ihren Stolz. Der Wein muss mindestens 20 Monate reifen – 6 davon im Holzfass. An diesen Statuten hat sich auch nichts geändert, als das Anbaugebiet dann am 7. Dezember 2004 den DOCG-Status (Denominazione di origine controllata e garantita = geschützte Ursprungsbezeichnung) erhielt. Also die kontrollierte und garantierte Herkunftsbezeichnung. Willkommen in der absoluten Oberliga italienischer Weine! Damit einher ging dann auch die Einführung der Roero Riserva. Diese muss mindestens 36 Monate reifen – auch hier 6 davon im Holzfass.

Hügellandschaft mit Rebflächen im Weinbaugebiet Roero im italienischen Piemont
Die sanften Hügel des Anbaugebiets Roero. © Coscarella Gianfranco

So schmeckt ein Roero

Aber wie schmeckt denn nun so ein Roero? Nun, in der Regel fruchtiger und nicht ganz so wuchtig wie ein Barolo oder Barbaresco. Er ist vollmundig und sanft und hat überraschend ausbalancierte Gerbstoffe, was man von der Rebsorte Nebbiolo ja nun nicht unbedingt erwartet. Grund für dieses harmonische Geschmacksbild ist vor allem das ausgewogene Klima. Die Sommer sind warm, die Winter kalt. Anders als in der Langhe, der Heimat von Barolo und Barbaresco, ist das Wetter in Roero nicht ganz so unbeständig. Außerdem liegen die Weingärten nicht ganz so hoch und sind auch eher sanft hügelig als steil. Die sandigen Böden, die man so im Piemont nur in Roero findet, tun ihr Übriges für dieses ganz andere Geschmacksbild.

Hört sich gut an? Ist es auch! Jedenfalls, wenn man rote Roero-Gewächse von Weingütern wie Malvirà, Deltetto, Chicco oder Almondo im Glas hat. Es gibt da nur ein Problem: Roero-Weine in Deutschland zu bekommen, ist eine echte Herausforderung. Denn die Nebbiolo-Rebflächen in Roero schrumpfen kontinuierlich! Gut, das hat zum einen damit zu tun, das es prinzipiell immer weniger Hektar für den Weinbau genutzt werden. In den 1980er-Jahren etwa kam das Anbaugebiet auf über 3.500 Hektar. Heute sind es nur noch gut 1.300 Hektar. Während der Rest des Piemonts eindeutig Rotweinland ist, sieht es in Roero heutzutage ganz anders aus. Denn Nebbiolo kommt hier nur noch auf 171 Hektar. Mit dem Nebbiolo-Abstieg ging der Aufstieg einer weißen Rebsorte einher. Der heimischen Arneis. Diese wird aktuell auf 1.125 Hektar bewirtschaftet. Ein echtes Phänomen, wenn man bedenkt, dass es Anfang der 1980er-Jahre gerade mal 55 Hektar gab. Und zwar in ganz Italien.

Nahaufnahme von weißen Trauben am Rebstock der Rebsorte Arneis
Arneis hat Nebbiolo fast komplett aus dem Roero-Gebiet vertrieben. © Valentina Makarova

Neuer Superstar: Arneis

Anders ausgedrückt: Obwohl Roero seine Herkunftsehren dem Nebbiolo verdankt, wurde die Traube verstoßen. Verwunderlich ist das nicht. Schließlich kam man einfach nicht an die Strahlkraft von Barolo und Barbaresco heran. Der Weißwein Roero Arneis, ebenfalls mit DOCG-Status, indes gelangte schnell eine gewisse Bekanntheit. Und Beliebtheit. Ein typischer Roero Arneis duftet nach Birne und Quitte, Honigmelone und exotischen Früchten. Am Gaumen ist er weich und üppig und hat nur wenig Säure. Genau das macht ihn zu einem idealen Speisenbegleiter. Risotto mit Alba-Trüffeln? Her damit! Pasta mit einer schlotzigen Sauce? Auf jeden Fall! Oder wie wäre es mit einer Pizza Bianca? Ein Gedicht zu einem Roero Arneis! Dass dieser Weißwein dann aber tatsächlich eine so dominierende Rolle einnimmt und den Piemont-Star Nebbiolo derart verdrängen konnte, ist dann doch recht erstaunlich.

Noch erstaunlicher: nur wenige Weinliebhaber wissen, dass aus der Roero-Paradetraube Arneis auch ein Schaumwein bereitet wird. Nämlich der Roero Arneis Spumante. Aber mal ehrlich: den nicht zu kennen, ist wahrlich keine Schande. Denn ein Großteil dieser Schaumweine sind eher ein schlichtes Trinkvergnügen, das nach recht kurzer Zeit aus dem Drucktank (jepp, keine Flaschengärung, sondern Charmat-Methode) direkt ins Glas kommt. Dann doch lieber der Stillwein. Da hat man eindeutig mehr von. Falls du aber mal an einen roten Roero kommst, dann probiere ihn bitte. Er bereichert das Nebbiolo-Geschmacksbild  aus dem Piemont mit ein paar ebenso liebenswürdigen wie spannenden Facetten. Wobei ich da immer noch einen Besuch der Region selbst empfehle. Aus mehreren Gründen. Denn so kann man nicht nur fantastische Weine entdecken, an die man hierzulande gar nicht rankommt. Sondern man erlebt auch eine einmalig schöne Landschaft mit vielen unterschiedlichen Schlössern. Roero wurde im Piemont zusammen mit der Langhe und Monferrato schließlich nicht ohne Grund von der UNESCO zum Weltkulturerbe ernannt.

Copyright Titelbild: © govone rglinsky/iStock

*Dieser Text erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und spiegelt ausschließlich meine persönliche Meinung wider. Er wurde weder beauftragt noch vergütet. Gesetzte Links sind nicht kommerziell, sondern dienen ausschließlich Service-Zwecken.

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