Monferrato: Barbera-Hotspot im Piemont
Bis heute steht das Monferrato im Schatten seines großen Bruders Langhe im Piemont. Was wahrscheinlich nicht zuletzt daran liegt, dass hier statt der großen roten Star-Rebsorte Nebbiolo aus der die beiden Paradeweine Barolo und Barbaresco bereitet werden, die einfachere Barbera-Traube ihren Stammsitz hat. Trotzdem ist Monferrato einen genaueren Blick wert.
Zugegeben, auch ich musste vor einigen Jahren nachschlagen, wo genau denn Monferrato im norditalienischen Piemont liegt, als ich erstmals einen Wein aus der Region im Glas hatte. Asti? Alba? Kein Problem! Und natürlich wusste ich auch, wo Barolo produziert wird. Um es kurz zu machen: Monferrato DOC (geschützte Ursprungsbezeichung) erstreckt sich in den Hügeln östlich von Turin in den Provinzen Asti und Alessandria.
Die gut 800 Hektar Rebfläche verteilt sich auf insgesamt 229 Gemeinden dieser beiden Provinzen. Das hört sich jetzt wahrscheinlich erstmal ziemlich generisch an. Und ja, das ist es irgendwie auch. Denn selbst Roero wird inzwischen mehr mit Piemont in Verbindung gebracht als Monferrato. Und dann strahlt ja eh Barolo über allem. Lang lebe das Langhe! Also die große und imposante Heimat von eben Barolo, Roero, Barbera d’Alba, Dolcetto d’Alba und Co.
Monferrato: Wiege des Weinbaus im Piemont
Kein Wunder, dass da die Weine aus Monferrato fast schon eine Nebensache sind. Fair ist das trotzdem nicht. Denn immerhin gilt die ehemalige Markgrafschaft als Wiege des Piemont-Weinbaus. Hier nahm in der Region alles seinen Anfang! Zahlreiche Amphoren- und Werkzeug-Funde belegen das. Warum also hat das Gebiet keinen Promi-Status im Piemont? Nun, das hat vor allem etwas mit den Rebsorten zu tun. Denn das Langhe ist nun einmal Nebbiolo-Kernzone. Also die rote Traube, aus der ebenso langlebige wie auch elegante Weine unterschiedlichster Stilistiken entstehen. Von denen eben Barolo und Barbaresco die bekanntesten sind.
In Monferrato hingegen dominiert Barbera. Und diese rote Rebsorte hat leider nach wie vor einen schlechten Ruf. Sie ist nämlich recht anspruchslos in der Bewirtschaftung und zugleich sehr ertragreich. Dementsprechend eignet sie sich hervorragend für die Massenproduktion. Genau das nutzten die Betriebe vor allem in den 1970er-Jahren aus, indem sie riesige Mengen Billigwein aus der Rebsorte produzierten. Es waren dünne Weine, mit schlecht eingebundener Säure und wenig Gerbstoffen. Um trotzdem ein wenig Fülle in diese Weine zu bekommen, panschten vor allem große Betriebe ausführlich mit Methanol. Was natürlich aufflog. Allerdings erst Mitte der 1980er-Jahre. Ungefähr zeitgleich mit dem österreichischen Weinskandal. Der Ruf von Barbera war damit endgültig ruiniert.
Barbera heute
Das Erstaunliche: Die Monferrato-Winzer hielten der Traube trotzdem die Treue. Während es zu Überschüssen ohne Ende kam, weil niemand mehr so recht den Wein kaufen wollte, hegten vor allem kleinere Weingüter nach wie vor ihre Barbera-Weingärten. Und mal ehrlich: Auf den von Lehm und Kalk geprägten Böden gedeiht die Rebsorte ideal. Mit Ertragsreduktion bekommt man zudem auch einen Wein hin, der so dicht und komplex ist, dass Panscherei komplett überflüssig ist. Und dann gibt es ja auch noch die besseren Lagen, die weiter oben auf den sanften Hügeln liegen, die das Monferrato optisch so prägen. Hier findet man vor allem Sand- und Mergel-Böden.
Ungefähr 90.000 Hektoliter Barbera werden jährlich in Monferrato produziert. Verglichen mit den 300.000 Hektolitern Barbera aus Asti ist das natürlich ein Witz, aber in Asti sind halt auch 6.500 Hektar mit der Traube bestockt. Dort schaffte man es übrigens dank konsequenter Qualitätskontrolle und gemeinsamer Lobbyarbeit, dass Barbera d’Asti im Jahr 2008 den DOCG-Status (geschützte und garantierte Ursprungsbezeichnung) erhielt, während sich Monferrato zu großen Teilen eben mit DOC zufriedengeben muss. Also nur geschützt, nicht auch garantiert.
In Monferrato gibt es da in Sachen Barbera nur eine einzige Ausnahme. Nämlich Nizza DOCG. Diese Weine müssen zu 100 Prozent aus Barbera bestehen und mindestens 18 Monate reifen (sechs davon im Holzfass), bevor sie auf den Markt kommen. Ein Nizza DOCG hat aufgrund der erforderlichen Ertragsreduktion mehr Tiefgang und Komplexität vorzuweisen. Aber auch hier ist die Säure noch immer recht hoch – allerdings in der Regel auch gut eingebunden.
Ruchè di Castagnole Monferrato und Terre Alfieri DOCG
Monferrato hat mit Ruchè di Castagnole Monferrato und Terre Alfieri noch zwei weitere DOCGs. Allerdings haben diese nichts mehr mit Barbera zu tun. Ruchè ist nämlich kein Ort, sondern eine weitere einheimische rote Rebsorte, die nur noch in klitzekleinen Mengen zu finden ist. Eine echte Rarität also. Diese Weine sind sehr samtig und haben einen delikaten floralen Touch, zu dem sich häufig eine pikante Würze gesellt. Wenn du einem Ruchè di Castagnole Monferrato DOCG mal über den Weg läufst, dann bitte zugreifen. Für mich ist das eine tolle Chianti-Alternative zu einer pikanten Pizza.
Ein Terre Alfieri DOCG kann entweder ein Rot- oder ein Weißwein sein. Denn hier sind die beiden Rebsorten Nebbiolo auf der roten und Arneis auf der weißen Seite die Stars. Sie müssen jeweils mindestens 85 Prozent des Weins ausmachen. Die restlichen 15 Prozent dürfen von nicht aromatischen Trauben stammen, die in dem Gebiet zugelassen sind. Die Weine aus der jüngsten der drei DOCGs sind echte Langstreckenläufer und können gut und gerne fünf Jahre oder länger gelagert werden, bevor man sie genießt. Dann kann man sich aber an ihrer Eleganz erfreuen.
Weiße Rebsorten in Monferrato
In dem ausgewogenen Klima mit milden Wintern und warmen Sommern, das im Piemont so typisch ist, gedeihen in Monferrato aber natürlich noch weitere Trauben. Auf der weißen Seite ist da vor allem Cortese zu nennen. Mit seinen floralen Noten, der präsenten Säure und den leicht bitteren Noten ist der Wein einem Gavi nicht unähnlich. Cortese ist für mich eigentlich eine wunderschöne Rebsorte für leichte Sommerweine. Wenn man sie aber im Barrique ausbaut, wie es etwa Rudolf Längauer auf seinem Weingut Il Sogno macht, dann kann ein sehr ernsthafter und charaktervoller weißer Speisenbegleiter daraus entstehen, der wunderbar zu gegrilltem Geflügel oder Lachs passt.
Aus getrockneten Moscato-Trauben (mit schönen Grüßen vom Appassimento-Verfahren) entsteht in Monferrato indes ein Süßwein namens Stevi. Diesem läuft man hierzulande allerdings so gut wie nie über den Weg. Falls du aber mal im Piemont Urlaub machen solltest: Bitte zugreifen und probieren! Neben Cortese, Arneis und Moscato findet man auch weiße Internationalitäten wie Pinot Grigio (Grauburgunder), Pinot Bianco (Weißburgunder), Chardonnay oder Sauvignon Blanc. Mit Viognier und Riesling gedeihen dort aber auch zwei Varietäten, die man jetzt nicht eben automatisch mit Norditalien in Verbindung bringt. Das sind dann tatsächlich auch die zwei Paradiesvögel, denen selbst die Einheimischen nicht sonderlich viel Beachtung schenken.
Weitere rote Rebsorten
Der rote Rebsortenspiegel setzt sich in Monferrato recht homogen zusammen. Barbera ist der Star, gefolgt von Nebbiolo und Dolcetto. Internationale Trauben wie Pinot Nero (Spätburgunder), Syrah, Merlot oder Cabernet Sauvignon dürfen natürlich auch nicht fehlen. Sobald diese allerdings zum Einsatz kommen, dürfen sie nicht auf dem Etikett stehen. Dann ist der Wein nämlich einfach nur ein schlichter Monferrato Rosso DOC.
Autochthone Trauben wie Albarossa, Brachetto oder Grignolino gibt’s natürlich auch noch. Ich möchte deine Aufmerksamkeit kurz noch auf die einheimische Freisa lenken. Denn diese ist tatsächlich ein Elternteil des legendären Nebbiolo. Von ihr hat der Nebbiolo die sehr präsenten Tannine geerbt. Tatsächlich ist Freisa so etwas wie ein Tanninmonster. Deswegen bauen Winzer sie so gut wie nie reinsortig aus. Gerne macht man aus ihr auch einen roten Süßwein im Moscato-Stil, um die Gerbstoffe noch geschmeidiger erscheinen zu lassen. Trotzdem wagen sich inzwischen immer mehr Winzer daran, reinsortige Freisa-Gewächse zu bereiten, indem sie sie sehr, sehr lange in Barriques ausbauen. Meiner Meinung nach eine sehr spannende Entwicklung. Noch ist mir kein Freisa-Solist ins Glas gekommen. Sollte das aber mal der Fall sein, werde ich natürlich berichten.
Monferrato? Kann was!
Du siehst: Monferrato lohnt dann doch einen genaueren Blick. Die Rebsortenvielfalt hält, was sie verspricht. Und auch die Barbera-Qualitäten können sich inzwischen wieder mehr als sehen lassen. Auch, wenn die Weinwelt das nach wie vor noch nicht so wirklich auf dem Schirm zu haben scheint. Dabei sind die Weine dank ihrer hohen Säure und den wenigen Gerbstoffen doch ideale Begleiter zu üppigen Gerichten. Gut, zur Weihnachtsgans würde ich nach wie vor einen Pinot Noir wählen. Aber zu einer Lasagne passt ein Barbera del Monferrato allemal.
Copyright Titelbild: © Consorzio Barbera d’Asti e Vini del Monferrato
*Dieser Text wurde weder beauftragt noch vergütet. Er erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit und spiegelt meine persönliche Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell und dienen alleine Service-Zwecken.
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