Weingut Neiss: Cool-Climate-Gewächse aus der Pfalz

Vom Fasswein zu prämierten Lagenweinen in nur zwei Generationen. Genau dieses Kunststück ist dem Weingut Neiss in der nördlichen Pfalz gelungen. Zuerst setzte Vater Ludi Maßstäbe. Inzwischen bezaubert Sohn Axel mit eigenständigen Gewächsen.

Wenn es um berühmte Weinbauorte geht, muss sich die Pfalz wahrlich nicht verstecken. Deidesheim, Forst oder Neustadt an der Weinstraße, wo jedes Jahr die Weinkönigin gekrönt wird, sind da ganz vorne mit dabei. Und natürlich auch Bockenheim. Dieser viel gepriesene nördliche Zipfel der Pfalz – und damit auch der Deutschen Weinstraße. Tatsächlich gibt es aber noch ein kleines Dorf etwas nördlicher, das seit einigen Jahren aufgrund eines bestimmten Weinguts immer wieder von sich reden macht. Kindenheim liegt hart an der Grenze zu Rheinhessen. Monsheim oder auch Flörsheim-Dalsheim sind nur ein paar Autominuten entfernt. Kindenheim besteht eigentlich nur aus einer Hauptstraße, an die sich die Häuser und ein paar Weinbetriebe schmiegen. Viel los ist hier nicht. Es sei denn, man schaut genauer hin. Beim Weingut Neiss zum Beispiel.

Die Familie Neiss ist bereits seit 1927 im Weinbau tätig. Wobei der Wein damals wahrlich noch nicht die Hauptrolle gespielt hat. Tatsächlich wurde er ganz simpel fassweise verkauft. Das reichte an Qualität und Wirtschaftlichkeit. Erst Ludi Neiss änderte das. Der ambitionierte Winzer bepflanzte bewusst Lagen, die seiner Meinung nach ein großes Potenzial haben. Und füllte auch die ersten Flaschenweine des Familienbetriebs ab. Seit nun 25 Jahren hat aber sein Sohn Axel auf dem Weingut Neiss das Sagen. Der Junior, der heuer nun auch schon 50 Jahre alt ist, kam frisch aus Geisenheim mit einer Vision im Gepäck nach Hause. Nämlich echte Charakterweine zu machen, denen man die Herkunft anschmeckt.

Schlüssel zum Cool-Climate-Erfolg

Genau diese Herkunft ist hier in Kindenheim nämlich tatsächlich eine kleine Besonderheit. Denn die Böden sind extrem stark von Kalkstein geprägt. An einigen Stellen ist der Kalk derart massiv, dass er als Geröll aus dem Boden heraustritt. Für eine maschinelle Bewirtschaftung ist das natürlich alles andere als ideal. Für die Weine an sich ist es aber ein absoluter Traum. Hinzu kommen dann noch die leichten Höhenlagen – und die südliche Ausrichtung der Weinberge.

Moment mal? Massiver Kalkstein, leichte Höhe und Südaustrichtung? Das hört sich ja schon fast wie das legendäre Plateau von Saint-Émilion an, auf dem die noch legendäreren Gewächse von Ausone, Pavie, Cheval Blanc, Angelus oder Figeac entstehen. Ganz so weit hergeholt ist der Vergleich tatsächlich nicht. Denn die Bedingungen sind recht ähnlich. Wobei Axel Neiss bewusst einen Fokus auf Weißweine setzt, weil sich hier der Cool-Climate-Charakter am stärksten bemerkbar macht.

Das Weingut Neiss und der Riesling

Riesling ist und bleibt beim Weingut Neiss die Leitrebsorte. Schon der Riesling Sonnenberg mit seiner dezenten Petrolnote, der feinen Mineralik und der moderaten Säure zeigt, welch großes Potenzial die Rebsorte hier hat. Getoppt wird das dann natürlich noch von einem der beiden Flaggschiffe. Dem Riesling Burgweg. Die Reben pflanzte Ludi Neiss vor über 40 Jahren. Dementsprechend intensiv ist die Aromatik in den gelesenen Trauben – und trotzdem bleibt der Wein konsequent auf der feinen und höchst eleganten Sensorikseite.

Klar, man findet hier Quitte und Ananas. Zwei Aromen, die für Pfälzer Rieslinge absolut typisch sind, aber eben auch eine feine Würze, zitrische und vor allem mineralische Noten. Das ist im besten Sinne ein beeindruckend kühler Wein, den man noch eine kleine Ewigkeit im Keller lagern kann. Selbiges gilt dann auch für den Riesling Zeller Schwarzer Herrgott, dessen 20 Jahre alte Reben auf einem Kalkplateau gedeihen. Hier unterstreicht eine salzige Mineralität die subtilen Kräuter- und Fruchtanklänge. Sehr beeindruckend!

Burgunder-Wunder

Riesling wird beim Weingut Neiss dicht gefolgt von Chardonnay und Weiß- sowie Grauburgunder. Vor allem bei dem Chardonnay Schlossberg wähnt man sich hier eher in französischen Gefilden. Eine feine Butternote sowie grüne Banane prägen die Nase. Am Gaumen hat der Wein dank des Holzausbaus schon einen ordentlich fülligen Körper, bleibt dabei aber stets leise und elegant. Ein wunderschönes Spiel der Kontraste!

Auf der roten Rebsortenseite ist – wie sollte es in Deutschland auch anders sein – Spätburgunder führend. Vor allem der Spätburgunder Glockenspiel aus der Lage Kindenheimer Vogelsang brilliert mit einer zarten Kirschfrucht und Anklängen von wilden Himbeeren. Dazu noch Nuancen von Steinpilzen und Wildbret – sehr edel! Was auch nicht weiter verwunderlich ist, denn Axel Neiss hat die Parzellen, die natürlich auch hier auf Kalk stehen, bewusst mit Burgunder-Klonen bestockt. Hier wird also schon das Maximum für Eleganz getan. Dass dann die Rebzeilen auch begrünt sind, man konsequent nachhaltig und umweltschonend arbeitet, versteht sich von selbst.

Schaut man sich den weiteren Rebsortenspiegel des Weinguts Neiss an, erlebt man Vielfalt pur. Seit dem Jahrgang 2021 gibt es so zum Beispiel einen Muskateller, der dank 12 Stunden Maischestandzeit schön griffig ist und mit einer wunderschön leichten Muskatnote daherkommt. Auf der roten Seite werden zudem auch noch Rebsorten wie Cabernet Franc, Cabernet Sauvignon, Merlot, Frühburgunder, Syrah oder Meunier angebaut. Was auf den ersten Blick wie ein wilder Mix erscheint, ist tatsächlich mit viel Verstand durchdacht.

Vielfalt pur beim Weingut Neiss

Diese Vielfalt ist sozusagen natürlich gewachsen. Als Axel das Weingut Neiss übernahm, kam man gerade einmal auf 13 Hektar Rebfläche, die in den vergangenen 25 Jahren auf knapp 50 Hektar angewachsen ist. Immer mal wieder hat Axel Neiss Parzellen übernommen. Passte die gepflanzte Rebsorte, durfte sie bleiben. Wie zum Beispiel Meunier, der vor allem im Schaumwein neben Spätburgunder zum Einsatz kommt. Cabernet Franc indes wird auch als Solist ausgebaut.

Nämlich im Cabernet Franc Sonnenberg, der unheimlich vielschichtig und tiefgründig daherkommt, mit feinen Anklängen von Himbeere und Nelke sowie schwarzen Pflaumen und Anis. Doch den Cabernet Franc findet man auch noch in der “That’s Neiss”-Linie des Weinguts. Und zwar in der roten Version. Hier gesellen sich auch immer noch Cabernet Sauvignon und Merlot hinzu. Manchmal auch Spätburgunder. Aber nicht immer.

Weingut Neiss: Spaß und Charakter schließen sich nicht aus

Ganz bewusst hat das Weingut Neiss die “That’s Neiss”-Weine vor die klassische Herkunftspyramide von Guts-, Orts- und Lagenweinen gestellt. Ob nun als Weiß-, Rot- oder Roséwein – bei “That’s Neiss” geht es primär nicht darum, die Herkunft schmeckbar zu machen. Sondern um den Trinkspaß an sich. Es sind typische Gastroweine, die den Massengeschmack treffen sollen. Klingt banal? Keine Bange, sind sie nicht! Schließlich darf man den Laien nicht überfordern, den Kenner aber auch nicht langweilen. Gerade bei Trinkspaßweinen bleibt aber meist einer auf der Strecke. Hier ist das nicht der Fall. Was ich übrigens selbst in größerer Runde getestet habe.

Axel Neiss gelingt hier also ein echtes Geschmackskunststück. Und das bereits seit über zehn Jahren. In einer Zeit, in der es solche Spaßweine inzwischen wie Sand am Meer gibt, darf man ja ruhig mal erwähnen, das also auch hier inzwischen Tradition dahinter steckt. Somit bildet die “That’s Neiss”-Kollektion eine ideale Ergänzung zu den eigenständigen Charaktergewächsen des Weinguts.

Copyright Titelbild: © Weingut Neiss

*Dieser Text wurde weder in Auftrag gegeben noch vergütet. Er entstand ohne Einfluss des Weinguts Neiss und spiegelt ausschließlich meine persönliche Meinung wider. Gesetzte Links sind nicht kommerziell und dienen allein Service-Zwecken.